...und noch eine Rezension. Und zwar in Medienwissenschaft. Rezensionen, Reviews (01/2013, S.57-60). Incl. dem Hinweis auf einen superpeinlichen Rechtschreibfehler...
"Eine Lücke im Populärdiskurs zu schließen ist laut Klappentext das erklärte Ziel der vorliegenden Herausgeberschrift. Dabei mag sich der Eine oder Andere nach dem Mehrwert eines bewusst medien-, bzw. kulturwissenschaftlichen und eben nicht musikwissenenschaftlichen Bandes zur Heavy-Metal-Szene fragen. Die möglichen Bedenken können die Herausgeber schon im Vorwort entkräften: "Im Gegensatz zum Film [ ... ] oder dem Fernsehen [ ... ] stellen Rockmusik und Heavy Metal im Besonderen ihre Medialität und vor allem ihre Medientechnologie überdeutlich aus, verweisen auf den Apparat, der Musik und Performance möglich werden lässt - in den Aufbauten, den Marschalltürmen [sie], den Musikinstrumenten, den Lichtanlagen, den Angaben der Watt und Phonstärken, mit denen Konzerte beworben werden." (S.15) Heavy Metal wäre ohne die zur Schau gestellten Medientechnologien einerseits, ohne spezifische Inszenierungsstrategien und Zeichensysteme andererseits also überhaupt nicht möglich. Aus diesem Grund können gerade die Beiträge als besonders gelungen betrachtet wären, die sich mit diesen deutlich medienwissenschaftlich ausgerichteten Fragestellungen beschäftigen. Die meisten von ihnen :finden sich
im ersten Teil, der mit "Ästhetik, Codes, Ethnografie" überschrieben ist. Hier beschäftigt sich unter anderemJulia Eckcl mit Typografie, Anordnung und Gestaltung von sogenannten ,Kutten', wichtigen Kleidungsutensilien in der Heavy-Metal-Kultur und deren Abgrenzung in Bezug auf andere Szenen, wie
der Hip-Hop und Techno-Szene. Dabei kann sie ihre These durchaus glaubhaft machen, dass die Heavy-Metal-Kultur eine besondere Affinität gerade zu bildliehen, bzw. figürlichen Darstellungen hat (Vgl. S.67). Anschließend daran folgt ein Beitrag von Rainer Zurch zur Covergestaltung von einschlägigen CD Veröffentlichungen. Dies erfolgt in erster Linie in Form von exemplarischen Analysen einzelner Covermotive unterschiedlicher Subgenres. Dabei wird deutlich, dass Metal eben nicht gleich ,Metal' ist und die verwendeten Zeichen jeweils in ihren Kontexten betrachtet werden müssen. (S.83f) Ebenfalls erwähnenswert ist der Beitrag von Florian Krautkrämer und Jörg Petri, die einen.;Abgleich der Metal Typografie mit der Asthetik des HorrorFilms wagen, sowie der von Tomislava Kosic, der typische Heavy-Metal Zeichen, wie die sogenannte ,Pommesgabel' (der herausgestreckte Kleine Finger & Zeigefinger), als identitätsstiftende Symbole unter kulturhistorischer Perspektive nach der dichten Beschreibung von Clifford Geertz betrachtet (Vgl. S.109ff). Der zweite Teil des Bandes nimmt eine vermehrt musikwissenschaftliehe Sichtweise ein. So beschäftigen sich unter anderem Dietroar Elftein und Daniel Kernehen in zwei Beiträgen mit jeweils anderen Aspekten der Virtuosität, während Marco Lehmann und Reinhard Kopiez die Bühnenshow von Rockgitarristen in Bezug auf ihre Rezeption als ,Ausnahmekünstler' fokussieren und Dietmar Elflein die spezifische Klangästhetik des Heavy Metal untersucht. Ebenfalls lesenswert, wenn auch möglicherweise eher aus essayistischer, denn wissenschaftlicher Sicht, ist der Beitrag von Mathias Mertens, der - leider nicht durch Zwischenüberschriften strukturiert - seine "Medienästbetischen Überlegungen zur Luftgitarre" zur Diskussion stellt. Dabei kann er überzeugend darlegen, dass die ,Luftgitarre' mehr ist, als nur eine prosaische Metapher für ,Unvermögen', "denn die Luftgitarre ist weder auf nichts bezogen, noch steht sie für sich allein." (S.226) Weshalb der Beitrag auf Grund der Herausstellung dieses zeichenhaften Charakters nicht im ersten Teil des Bandes Platz gefunden hat, erschließt sich indes nicht.
Was in einigen Aufsätzen bereits mehrfach anklang, wird im dritten Teil des Buches unter der Überschrift
"Mctal vs. Moderne" noch einmal in den Fokus gerückt. Der bewusste Rückbezug im Heavy Meta! und verwandter (Sub-)Genres zur sogenannten Vormoderne, vor allem zum Mittelalter und nordischer, bzw. heidnischer Mythologie wird unter anderem in den Beiträgen von Sascha Pöhlmann und Jan Leichsenring deutlich. Pöhlmann sieht in bestimmten amerikanischen BlackMetal-Formationen sogar eine "Fortsetzung der Romantik mit anderen Mitteln." (S.265) Argumente für diese These werden in dem Beitrag durchaus glaubhaft gemacht, scheinen insgesamt allerdings etwas einseitig zu sein und möglicherweise zu sehr dem zu entsprechen, wie sich einzelne Musiker selbst gerne darstellen. Alternativ ließe sich beispielsweise die Frage diskutieren, was zeitgenössische Black-Metal-Bands aus einem Fundus von Motiven machen, die zwar durchaus beispielsweise der Romantik entlehnt sein könnten, aber in der zeitgenössischen Musik zu etwas dezidiert Neuern verarbeitet werden.
Angenehm ist deshalb, dass insbesondere RolfF. Nohr in seinem Beitrag über "Metal als transmoderne Sinnstiftung" auch nicht vergisst, zu erwähnen, dass HeavyMetal ohne die Versprechen und Errungenschaften der sogenannten Moderne gar nicht möglich wäre, beziehungsweise sogar ,postmodern' gebrochen,
ironisiert oder überformt werden kann: "[Es] soll davon ausgegangen werden, dass das Phänomen Metal
[ ... ] durchaus geprägt ist von einem hohen Maß an formalen und inhaltlichen Inkonsistenzen, durch Brüche
und sprunghafte Verschiebungen, von einer (Selbst-) Ironisierungsfahigkeit [ ... ] und einer variablen eigenständigen ästhetischen Praxis." (S.308) Problematischer stellt sich der vierte Teil dar, der mit dem Modewort "GlocalMetal" überschrieben ist. Wer nun eine im weitesten Sinne netzwerktheoretische Perspektive erwartet, wird leider über weite Strecken enttäuscht. Statt dessen fokussieren die einzelnen Beiträge von Franz Sz. Horvath,Andre Epp, Christian Krumm und Carotine Fricke für sich genommen durchaus interessante Einblicke in die lokalen Ausprägungen der MetalSzene in Ungarn, Staaten der sogenannten MENA (Mittlerer Osten und islamisch geprägtes Afrika), der ehemaligen DDR und im deutschen Ruhrgebiet. Tiefere theoretische Überlegungen zum Netzwerkbegriff bleiben dabei leider außen vor und werden nur in einem kurzen Beitrag von Imke von Helden nachgereicht, die zumindest einige Schlüsselbegriffe wie Hybridität einführt, um sich dann allerdings wiederum nur auf eine Hand voll exemplarisch ausgewählter Bands zu beschränken, anstatt das vorgeschlagene Konzept als theoretisches Modell weiter auszuführen. (Vgl. S.379ff).
Der abschließende Teil "Politik und Kultur des Heavy Metal" liest sich wie eine eher willkürliche Zusammenstellung von Beiträgen, die sich nicht ohne weiteres in die vorherigen Kategorien eingliedern ließen. Zu erwähnen ist vor allem der Aufsatz von Manuel Trummer, der sich noch einmal ausführlicher mit religiösen, spirituellen und okkulten Aspekten beschäftigt. Der abschließende Aufsatz von Tobias Winnerling betrachtet das ,HeavyMetal Universum' aus einer etwas weiteren Perspektive und stellt damit auch ein durchaus gelungenes Fazit für das ganze Buch dar: ,,Heavy Metal lässt sich beliebig ideologisch aufladen, kann also als Trägermedium für ideologisch-politische Inhalte jeder Couleur dienen, seien das nun linsgerichtete oder linksradikale, eskapistische, gesellschaftskritische, christliche oder satanistisch-okkulte, ökologische, oder auch antimodernistische oder rechtsradikale." (S.472) Noch einmal wird also die Heterogenität der Heavy-Metal-Szene deutlich, sowohl auf musikalischer, zeichentheoretischer, als auch inhaltlicher Bedeutungsebene.
Fraglich bleibt bei dieser Diversität, warum der Klappentext noch behauptet: "HeavyMetal gehört zu den stabilsten und homogensten kulturellen Formationen der letzten Jahrzehnte." Dennoch kann der vorliegende Band als durchaus gelungene Zusammenschau eines bislang wenig erforschten Bereichs in der Populärkultur verstanden werden. Beiträge, die die Heavy-Metal-Kultur aus einer weiter gefassten Perspektive betrachten, wechseln sich mit solchen ab, die sich konkret auf einzelne Phänomene beschränken {wie der über die Geschichte der Band Kiss von Sascha Seiler, bzw. der über Grindcore von Andreas Salmhofer. Auch wenn sich einige Aufsätze damit begnügen, in der Szene als ,bekannt vorauszusetzendes' Wissen noch einmal theoretisch zu bündeln, ergeben sich damit immerhin zahlreiche Ansatzpunkte für weitere Forschungen. Es sollte dabei aber nicht verschwiegen werden, dass man sich möglicherweise überhaupt nur in dem teils recht komplizierten Netz aus Bandnamen, Subgenres und typischen Genrezeichen zurecht findet, wenn man im Vorfeld zumindest einigermaßen mit ihnen vertraut ist."
Felix Liedel (Marburg)
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