Im Rahmen des 26. DVSM-Symposiums laden wir vom 11.-13 April 2013 Studierende und Doktoriende verschiedenster Diszplinen – Musik-, Medien-, Tanz-, Theater-, Film- und Literaturwissenschaften, bildende Künstler sowie Musik- und Filmschaffende – nach Basel ein, um zusammen das Geräusch zu erforschen. Neben den wissenschaftlichen Vorträgen wird das Geräuschhafte in Konzerten, Performances, Lesung und Klanginstallation gefeiert. Die Erfahrungen aus dem Symposium werden in einem Sammelband publiziert.
Wer sich für einen Beitrag bewerben möchte, schickt bis zum 30.11.2012 ein abstract von max. 2000 Zeichen und eine Kurzvita an die Adresse: symposium2013@dvsm.de
Das Geräusch ist das Andere der Musik. Geräusche sind noch keine Musik oder keine Musik mehr, Geräuschkulisse oder Störgeräusch. Das Geräusch als Negation des musikalischen Klangs wird jedoch seit jeher unterlaufen; Musiker integrieren neue Klangquellen und Spieltechniken in ihr Repertoire, Komponisten nehmen Klangtypen fremder Kulturen in ihre Werke auf, Geräusche werden als Musik gehört oder was als Musik galt, wird als Lärm empfunden. Die Grenzen zwischen Musik und Geräusch waren immer schon beweglich, unscharf und umstritten. Die Kunstmusik des zwanzigsten Jahrhunderts aber ist geprägt vom Diskurs um diese Abgrenzung, ein Streit, der eine Doppelbewegung ausführt: Die Ausweitung der Grenzen des Musikalischen einerseits – das Geräusch wird in die Musik einbezogen bis zum Punkt, an dem für John Cage alles Musik ist – und andererseits das Ausgreifen des Geräuschhaften auf die Musik: Musiken werden zur verfügbaren Ware, zur Kaufhausberieselung, zum akustischen Hintergrund; eine Vereinnahmung der Musik ins Alltägliche, von der sich Musik mit Kunstanspruch stetig abzugrenzen versucht.
In diesem doppelten Streit definiert sich Musik immer auch über ihr Anderes: das Geräusch. Es ist für die Musikwissenschaft daher unerlässlich, das Geräusch zu untersuchen, wenn sie Musik verstehen will. Gleichzeitig verlangt die Vielfalt der Geräusche eine Erweiterung der musikologischen Aufmerksamkeit. Im Spannungsfeld zwischen der modernen Universalität der Musik – Alles ist Musik – und ihrer notwendigen Kehrseite – Alle Musik ist geräuschhaft – gibt es eine Vielzahl von Abstufungen, Grauzonen, Verbindungen und Brüchen. Was macht die Musik zur Musik?
Gibt es eine Eigenschaft, die sie vom Geräusch trennt oder besteht diese Differenz allein in unserem Verhalten?
Eine Musik hören, einer Melodie zuhören, einen Klang vernehmen, entendre un bruissement, auf ein Rascheln horchen, listen to a sound, sich einem Lärm aussetzen, subir un bruitage, écouter la radio, aber entendre un bruit – ein Geräusch verstehen?
Wie der Philosoph Jean-Luc Nancy der inneren Verwobenheit und Differenz von son et sens, von Klang und Sinn, nachgeht, wollen wir die Trennung zwischen Musik und Geräusch, zwischen verstehbarem Konstrukt und stummem Rauschen, aufbrechen und in sich verkehren; inwiefern wohnt jedem Sinnphänomen, sei es Sprache, Musik, Bild oder Tanz, etwas Rauschartiges, Unverständliches inne und spricht nicht jedes Andere des Sinns – Schrei, Pfiff, Fleck oder Stolpern – unser Verstehen an? Was geschieht, wenn ich mich zu Musik, wie zu einem Geräusch verhalte und die akustische Fülle meiner Umwelt als Musik wahrnehme; wie lassen sich die verschiedenen Modi, in denen ich mich auf Hörbares beziehe, ineinander übersetzen und wie werden sie wechselseitig produktiv?
Die Wissenschaftssprache ist um den Sehsinn zentriert: Der Sehsinn steht Modell für das Erkennen überhaupt, sodass das Visuelle und seine Metaphern selbst die Sprache der Musikwissenschaft dominieren. Wir möchten das Geräusch zum Ausgangspunkt nehmen, um der Musikwissenschaft das Hören wiederanzueignen. Geräusche lassen sich auf keine Parameter der Komposition reduzieren, sie widersetzen sich der Visualisierung der Partitur; Geräusche wollen erfahren, gehört, ausgehorcht werden. Diese Wiederaneignung des Hörens muss über den
Austausch mit Hörern geschehen, die einen anderen Zugang zur Musik haben: Das florierende Feld der Klangkunst, die Geräuschforschung der musique concrète, die Tontechnik der Filmkunst, Klanggestaltung der Literatur, bildenden Kunst, Architektur oder die breit geführten Debatten der sound studies. Diesen anderen Hörweisen, die sich weder unmittelbar mit dem Begriff der Musik noch jenem der Musikwissenschaft identifizieren, mit diesen Anderen der Musikwissenschaft wollen wir über das Geräusch ins Gespräch treten.
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